Ich möchte helfen
Part III
Es war mittlerweile schon 15 Uhr und weil ein Dozent krank war,
hatten wir Ausfall und eine Stunde früher Schluss bekommen.
Ich saß in meinem Lieblingscafé -
wie immer, wenn ich am Laptop noch einiges zu tun hatte
und mal wieder irgendwas an der Akademie ausgefallen war.
Und da ja Winter war, saß ich ohne Zigarette drin im Café
am Fenster mit Blick zum gegenüberliegenden Einkaufszentrum.
Mein Apple Cinnamon Latte war so gut wie leer,
genau wie auch der Akku meines Computers
und so eintschied ich mich wieder einmal für einen
einsamen Einkaufsbummel (eher Window Shopping,
denn mein Geldbeutel hatte nicht mehr viel übrig für mich),
schlenderte zur anderen Seite und hin zum Zentrum.
schlenderte zur anderen Seite und hin zum Zentrum.
Wie ich diesen Weg vom Café zum Einkaufszentrum hasste.
Diese große Straße, so viele Menschen an den Ampeln,
viel zu viele Autos und darüber noch U-Bahn Brücke,
unter der man durchlaufen muss um zum Zentrum zu kommen.
Es gab nicht viel zu holen, nichtmal im Sale der Klamottenläden.
Seltsame T-Shirts mit Paillettenmuster,
sehr weite Hosen mit komischen Aufnähern,
eigentlich schon viel zu hässlich für meinen Geschmack.
Meine Augen taten weh und ich wollte mir das nicht länger antun,
also bin ich lieber schnell zur Bahn gegangen, es war sowieso
schon wieder viel zu dunkel und kalt draußen und ich hatte
immer noch einiges zu erledigen.
Von der Station aus waren es gerade einmal vier weitere
Stationen zu mir nach Hause, also ungefähr sieben Minuten Fahrzeit.
Ich saß wie immer am Fenster, es war überraschend leer
und mit müden Augen beobachtete ich das Schneegestöber draußen.
Als die Bahn an der nächsten Station gerade die Türen schloss -
oder eher knallte - standen plötzlich wieder einmal diese
ganz obercoolen wannabe 007 Menschen vor mir und mitten in der Bahn.
"Juten Tach, die Fahrausweise, bitte!"
Kein Problem, dachte ich mir, ich hatte 'ne scheiß teure Monatskarte.
Ja genau, die Betonung lag auf "hatte".
Denn das Mistteil war nicht mehr in meiner Smartphonehülle.
Seltsam, denn alle anderen Karten, ob Bank oder Personalausweis,
befanden sich immer noch darin.
Gut, dann musste sie wohl in meiner Jackentasche sein.
Aber nein, Fehlanzeige.
Auch in meinem Rucksack war sie nicht zu finden,
ich habe das ganze Scheißteil auf dem Boden ausgekippt.
"Tach'chen, Ihre Fahrkarte, bitte"
sprach die raue Stimme mit Bierbauch zu mir.
"Wissen Sie, das Ding ist, dass ich meine Monatskarte
heute früh noch hatte..."
"Allet klar, mitkommen.
Nancy, ick hab hier 'ne Schwarzfahrerin!"
schrie der Bierbauch ins andere Ende der Bahn hinein
und zu seiner 007-Agenten-Kollegin, die gerade einen
anderen Mitfahrer am Wickel hatte.
"Sagen Sie mal, haben Sie mir gerade eigentlich zugehört?
Ich hab 'ne verfickt teure Monatskarte, aber..."
"Hey, Hipster, dit interessiert misch nisch.
Du kannst se nisch vorzeigen, du hast se nisch,
also fährste schwarz, so einfach is ditt."
Der muss sich ganz, ganz cool gefühlt haben.
So cool, dass er mich Hipster genannt und lässig berlinert hat.
"Und wissen Sie, was mich nicht interessiert?
Leute wie Sie, die nach Fahrkarten fragen.
Trinken Sie mal lieber noch 'n Fläsch'chen
und lassen Sie Ihr Bäuchlein noch 'n bisschen wachsen,
steht Ihnen bestimmt hervorragend."
Die Bahn stand bereits an der nächsten Station,
die Türen waren weit geöffnet und so ergriff ich die Flucht.
Ich hatte es tatsächlich geschafft, musste nun aber den Weg
zu Fuß nach Hause auf mich nehmen.
Die beiden coolen Agenten haben auch keine Anstalten gemacht,
mir irgendwie hinterher zu rennen oder mich festzuhalten.
Nach einem schmerzhaften Fußmarsch war ich endlich am Bahnhof angekommen,
es war bereits 17.15 Uhr und ich lag noch gut in der Zeit.
Da fiel mir plötzlich wieder die Frau ein,
die mir heute früh noch ein Taschentuch geben und mir helfen wollte.
Die Krankenschwester, Ärztin oder was auch immer...
Die Menschenfrau.
Und wie das eben meistens so ist, wenn man gerade an jemanden denkt,
kommt einem genau diese Person plötzlich entgegen.
Ja, tatsächlich, die Menschenfrau kam aus der anderen Richtung
und mir schnurstracks entgegen.
Wahnsinn, wie sie sich so sicher auf dem glatten Boden halten konnte.
Ich wäre wahrscheinlich schon wieder dreimal hintereinander hingeflogen.
Oh, aber nein, das hätte ich nicht denken dürfen.
Denn kurz danach hat auch sie sich fett auf den Boden und das Eis gepackt,
lag reglos mit dem Gesicht unten und sagte nur schrill
"Autsch, verdammter... Scheibenkleister!"
Scheibenkleister?
Oh bitte, nicht doch...
Auch ich stand irgendwie reglos da und wusste nicht,
ob ich ihr helfen sollte, nachdem ich sie so eiskalt habe stehen lassen.
Aber gut, einen Versuch war es wert, vielleicht konnte ich so
meine Unfreundlichkeit wieder glätten und etwas gutmachen.
Als sie schließlich immer noch reglos mit dem Gesicht auf dem Boden lag,
zögerte ich nicht mehr lange und kam zu ihr geschlittert.
Ja, geschlittert, denn alles andere hätte mich ebenfalls zum Fall gebracht.
Sie muss mich bereits gehört haben und hob langsam ihr Gesicht nach oben an.
Als sie mich sah, kam nur ein enttäuschtes
"Oh..."
aus ihrem Mund heraus.
"Kann ich Ihnen helfen?
Es... es tut mir leid.
Bitte, ich möchte Ihnen helfen,
denn dasselbe ist mir heute morgen auch passiert..."
Fortsetzung folgt...
Fortsetzung folgt...
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