...und die Zahnrädchen in mir fangen sich an zu drehen (Maus, Weihnachtskarte und 'ne Menge Mut)

Das war sie also,
die letzte Therapiesitzung im Jahr 2017.
Die letzte Sitzung vor Weihnachten und dem ganzen Schnick-Schnack.
Der Tag, vor dem ich seit einer Woche fast schon Panik hatte.
Und nun ist er vorbei.
Er - der Tag - eigentlich noch nicht so ganz,
aber eben die Sitzung...
Nachdem ich heute auch wieder einmal viel zu lange geschlafen habe,
weil mich in letzter Zeit wieder Schlafstörungen plagen
(und ich erstmal nicht mehr Promethazin einwerfen möchte),
hatte ich nur noch knapp drei Stunden Zeit bis zur Sitzung.
Ich wollte noch so viel machen:
Eine letzte Zeichnung in diesem Jahr in meinem Buch beginnen und beenden
(und diese dann eben auch in die letzte 2017er Sitzung mitbringen),
die Weihnachtskarte für meine Therapeutin beenden

(diese hier)
 
  
 und mich außerdem noch um meine Kinder, äh...
Tiere, also Meerschweinchen kümmern!
 Meine Meerschweinchen habe ich noch gefüttert,
das Weihnachtskärtchen habe ich auch noch geschafft zu beenden.
Die ist so süß geworden, aber ich hatte keine Zeit mehr für Fotos, leider...
Auf dem Bild hier seht ihr die Vorderseite, wenn auch verschwommen.
Auf der erste Seite innen steht
"Vielen Dank für Ihre Unterstützung"
in meiner seltsamen, schrägen und schnellen Handschrift.
Und auf der zweiten Seite steht in einer süßen
und irgendwie kindlich verschnörkelten Schrift 
"merry christmas"

(ungefähr so)



Unten ist ein einfacher Schneeboden, links und rechts jeweils zwei süße
Tannenbäumchen mit Stern oben drauf und in der Mitte
ein putziger Schneemann mit Karottennase und Schal.
Umgeben ist das alles durchgehend von zierlichen Lichterketten,
die auch auf der Vorderseite zu sehen sind.
Alles in Allem also irgendwie sehr kindlich, aber doch von Herzen kommend
und voller Dankbarkeit. Oh, und auch Scham! 
Aber dazu komme ich später...
Das habe ich also zum Glück noch hinbekommen.
Gegen 14.45 Uhr bin ich dann wie immer losgeeiert,
sehr nervös und eher weniger erwartungsvoll,
was die allerletzte 2017er Sitzung anging.
Draußen war es arschkalt und ich war ständig dabei,
meinen engen Lederrock runterzuziehen, den ich mir gestern
im H&M-Sale für 12€ gekauft habe, ich Fuchs.
Dieses Teil rutsch andauernd hoch, richtig gut sitzen lässt es sich damit auch nicht,
wie ich vorhin während der Therapie feststellen musste.
Aber hey, was ich schreibe ich hier von einem Lederrock???
'N bisschen die Zeilen füllen mit unnützem Kram...

Unterwegs habe ich mit der lieben
the_grumpy_unicorn (hey, Elli! Ich bin jetzt mal so frei und nenne Dich Elli!)
geschrieben (liest sie das hier überhaupt? 😃) und u.A. darüber,
dass sich meine Therapeutin bestimmt sehr über die Karte freuen wird.
Na ja, so sicher war ich mir da zuerst nicht...
Okay, freuen vielleicht schon, aber ob sie so etwas auch annehmen darf?
Ich habe schon so viel davon gelesen, dass die Therapeuten das dann mit
ihren Patienten/Klienten während der Sitzung zum Thema gemacht haben,
also schenken bzw. verschenken und wieso, weshalb und warum sie
dem Therapeuten etwas geschenkt haben.
Richtig detailliert also, das wurde richtig auseinandergenommen.
Darauf hatte ich eher weniger Lust...
Endlich angekommen, saß ich auch nur noch knapp eine Minute lang
im Wartezimmer, bis meine Therapeutin dann kam und mich abgeholt hat.
Heute habe ich mich irgendwie so richtig in den Sessel fallengelassen.
Wie ein schwerer und nasser Sack bin ich nach unten geplumpst und saß dann reglos da.
Auch meine Thera hat sich ziemlich fallengelassen in den Sessel und nun ja,
dann saßen wir dort eben und ich habe erstmal wieder geschwiegen.
"Das ist immer so ein seltsamer Moment,
wenn wir hier reinkommen und uns hinsetzen
bzw. eher fallen lassen.
Dann ist immer kurz Ruhe, das ist so... komisch irgendwie."

oder so ähnlich kam es aus meinem Mund heraus.
Ich bin ganz ehrlich: 
Das meiste aus der Therapie kommt oft erst einen Tag später richtig bei mir an.
So kurz danach kann ich mich an fast gar nichts bzw. nur oberflächliches erinnern.
Meistens kommt das dann alles erst an, sobald ich mal eine Nacht darüber geschlafen habe.
Aber ich habe jetzt schon das Bedürfnis zu schreiben, also mache ich das auch.
Wenn mir nach und nach mehr einfällt, schreibe ich das hier einfach immer mal wieder mit rein!

"Die letzte Sitzung war irgendwie ziemlich... schwer, finde ich.
Ich habe das Gefühl, dass irgendwas in mir anfängt zu arbeiten.
Da sind so Sachen, die ich vorher nicht wirklich für voll genommen habe.
 Die Beziehung zu meinen Eltern... das ist alles gerade ganz seltsam.
Nicht ganz so gut, irgendwie..."

 und meine Augen gingen von Boden zu Fenster, von Fenster zu Boden.
Aber bloß nicht in das Gesicht meiner Therapeutin, nein!
Wieso das so ist, haben wir auch schonmal besprochen.
Und auch, dass ich das so weitermachen kann, wenn ich möchte.
Sie freut sich aber, wenn ich sie dann doch mal ansehe, ich muss aber nicht.
Trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen und mag es nicht auf den Boden zu starren.
"Das war ja auch ziemlich traumatisch, was Sie da letzten Montag erlebt haben.
Wie ging es Ihnen denn während der letzten Sitzung?
Wo haben Sie das Gefühl, dass etwas in Ihnen anfängt zu arbeiten,
wie war das mit den Karten?"

So ungefähr meinte sie das, also halt sinngemäß,
die genauen Worte kann man wohl nie wiedergeben.
 "Also im Nachhinein fand ich das mit den Karten echt gut, eigentlich.
Es war irgendwie schon seltsam in dem Moment, aber jetzt denke ich,
dass es ganz gut war.
Ich fange gerade an Sachen zu sehen, die vorher (noch) nicht da waren."

viel auf den Boden geschaut, viel zu viel.
Und dazu noch die Beine schlimm verkrampft und zusammengepresst,
der Lederrock hat ein komisches Knistergeräusch von sich gegeben.
An dem Nagel meines rechten Ringfingers habe ich gefummelt, der hat mich irre gemacht.
Ich brauche immer etwas zum "spielen" in der Hand, ganz schlimm.
"Was fühlen Sie,
wenn Sie sich an die Karte mit der Mutter und dem Kind zurückerinnern?

Stille.
Und der Blick immer noch zum Boden hin gerichtet.
Ich wusste es nicht.
Also gut, okay, eigentlich weiß ich es jetzt schon.
Meine Therapeutin hat mir in diesem Moment der letzten Sitzung etwas gezeigt, glaube ich.
Oder die Karte hat mir etwas klargemacht/gezeigt, oder eben auch beide zusammen.
Das ist ein Teil, den ich jetzt erst anfange zu sehen, der vorher aber noch
ganz tief im "Keller" meines Gehirns verstaut war.
Und das tat weh.
"In dem Moment haben Sie sich ja auch weggedreht,
als die Karte hier auf dem Tisch lag.
Die Art und Weise, wie die Mutter auf dem Bild den Säugling im Arm gehalten
und ihn angesehen hat, muss in dem Moment sehr schmerzhaft gewesen sein...
Etwas sehr liebevolles, zärtliches und warmes,
das Ihnen teilweise auch (...) für eine Zeit geben konnte
und was Sie auch immer noch brauchen."

irgendwie so, leider bekomme ich es gerade nicht mehr vollständig zusammen,
mein Kopf ist Matsch.
Ja, liebe Menschen, auch meine Mutter hat mich als Baby sicherlich im Arm gehalten.
Also davon gehe ich einfach mal aus, genau erinnern kann ich mich daran natürlich nicht mehr.
Aber irgendwann muss doch irgendwo irgendwas passiert sein,
dass heute die Dinge so sind, wie sie nunmal sind.
Aber es wird eben nicht nur das gewesen sein, sondern noch viel mehr.
Da fließen immer mehrere Aspekte mit ein, so dass all die kleinen Puzzleteile
irgendwann mal zusammen zu einem großen Teil werden.

(Das unangenehme ist jetzt in genau diesem Moment,
dass sie hier neben mir steht in der Küche und lustig im Kühlschrank 'rumwühlt.
Da komme ich mir sehr schlecht vor, dass ich das hier gerade schreibe...
aber gut, das ist eben mein Therapietagebuch.)

"Ich fange gerade eine Art... na ja, wie kann man sagen,
Therapietagebuch an?!
Ich habe auch die letzte Sitzung sehr ausführlich niedergeschrieben,
wie ich mich gefühlt habe, was in mir vorgegangen ist..."
"Das ist toll und so etwas kann auch helfen.
Sie haben mir ja auch schon so viel geschrieben und gegeben."

 Oh ja, meiner Meinung nach schon viel zu viel.
Was sie sich schon alles für Zeilen von mir antun musste...
und angefangen hat das alles Mitte August 2017,
als ich ihr den allerersten Brief über meine Kindheit gegeben habe
und sie einen Neuantrag auf Therapie gestellt hat.
Aber ich weiß, sie liest es gerne und es ist okay,
so hat sie es mir zumindest schon oft geschrieben und gesagt.
"Ich habe das Gefühl, dass ich gerade...
ich weiß nicht, wie ich das sagen soll.
Also dass sich in mir gerade etwas gegen meine Eltern entwickelt
bzw. ich mich innerlich gegen sie richte... oder so."

und allein das schon auszusprechen hat mir gereicht.
Es fühlt sich seltsam an, so ein Gefühl hatte ich bis jetzt noch nie.
 Mich innerlich gegen meine Eltern richten... hm.
Sie hat genickt und meinte daraufhin
"Manchmal kann das aber auch eine gewisse Distanz erzeugen,
die in dem Moment vielleicht auch notwendig ist,
um sich von den Eltern zu lösen.
Das muss nichts schlechtes und auch nicht für immer sein.
Aber für eine Weile kann das ganz gut sein
wenn Sie das denn gerade vielleicht brauchen."

irgendwie so.

Ich habe ihr weiter erzählt, wie nach und nach immer mehr Dinge
aus der Vergangenheit in mir hochkommen, die ich vorher eher für unwichtig gehalten habe.
Dinge, die sich jetzt aber im Nachhinein nicht ganz richtig anfühlen, so viele Jahre später.
"Ich weiß nicht, ob ich das nicht alles nur schlimmer mache,
als es vielleicht ist, ob ich übertreibe.
Aber ich kann mich erinnern, dass ich als Kind oft die Treppe
zu meinem Zimmer runtergerannt bin, meine Tür zugemacht und etwas großes,
schweres davorgestellt habe, so dass niemand reinkommen kann..."
"Da haben Sie Schutz und Sicherheit gesucht, hatten wahrscheinlich große Angst..."
"Und dann... dann kam oft einer hinterhergerannt,
manchmal auch mit einem Schuh in der Hand."

 und dann kam 'ne mega lange Pause und noch mehr Blicke auf den Boden.
Der Fingernagel an meinem rechten Ringfinger war mittlerweile eingerissen
vom vielen spielen. 
"Und dann habe ich richtig Kloppe bekommen.
Richtig vermöbelt, so dass ich manchmal nicht mehr sitzen konnte.
Aber ich frage mich jetzt, was da passiert ist, was ich falsch gemacht habe... ?"
"Wissen Sie, Kinder fragen sich ganz oft, wieso und weshalb das passiert,
warum das mit ihnen gemacht wird.
Und weil Kinder ihre Eltern trotz allem lieben und sie beschützen wollen,
suchen sie dann oft die Schuld bei sich und überlegen,
was sie falsch gemacht haben könnten, dass das mit ihnen gemacht wird.
Und oft sind Eltern so überfordert, dass dann so etwas passiert..."

war so ungefähr ihre Antwort.

 "Wenn ich mich daran erinnere, an diese Sätze, diese Worte, diese Drohungen...
Das mit dem Kinderheim habe ich Ihnen schon erzählt, glaube ich.
Dass mir immer damit gedroht wurde, wenn ich bestimmte Sachen nicht gemacht habe.
 Aber eine andere bestimmte Drohung habe ich bis heute noch im Kopf...
"Wenn du das nicht tust, dann..."
allein dieses Wort schon... dieses Wort.
"dann bekommst du mörderisch eine geknallt, dass du nicht mehr sitzen kannst."
Es gab da eine Zeit in der Grundschule, da war ich so sechs oder sieben.
Da bin ich fast jedesmal zusammengezuckt, wenn nur jemand neben mir den Arm gehoben hat
oder eine Lehrerin plötzlich dicht hinter mir stand."

Ich weiß nicht mehr genau, ob meine Therapeutin darauf etwas gesagt hat.
Aber sie hat deutlich genickt, das habe ich aus dem Augenwinkel gesehen.
"Oft auch habe ich ganz schlimme Wörter oder Sätze an den Kopf bekommen.
Ekelige und unschöne Sachen, die man nicht ausspricht..."

"Was waren das für Sachen?"

"Also... zum Beispiel sowas, wie...
"Du... du bef..."
Ich will nicht. Ich kann nicht..."

es ging nicht, es wollte einfach nicht heraus aus mir.
Es sind ekelhafte Wörter und Sätze,
es sind Dinge, die man besser nicht zu (s)einem Kind sagt...
Ich weiß gerade nichtmal, ob Blogger das hier zensieren oder sperren würde,
so abartig sind diese Worte.

(und gerade jetzt in diesem Moment hat sie wieder so ein Wort benutzt.
Die Tür ist zu, an irgendwas bin ich schon wieder Schuld.
Ich sollte diese "mich innerlich gegen meine Eltern richten" Stellung
in mir noch eine Weile behalten...)
  "Am liebsten würde ich diesen ganzen Weihnachtskram einfach verschlafen.
Ich will das alles gar nicht mitbekommen, die momentane Situation
zwischen meiner Familie ist irgendwie nicht gut, nicht schön.
Und ehrlich gesagt habe ich sehr Angst vor den Wochen ohne Therapie jetzt.
Ich glaube, langsam rutsche ich da rein, langsam lasse mich darauf ein.
Und jetzt habe ich Angst vor diesen Wochen, vor Weihnachten, vor der Klinik
und dass ich davor keine Sitzung mehr habe..."

Sie hat mir dann Vorschläge gemacht, wie ich das überstehen könnte,
wie ich mir selbst helfen könnte.
Ob ich mir vorstellen könnte,
während der Zeit und auch der Weihnachtsfeiertage innerlich
oder gedanklich mit ihr und der Therapie in Kontakt/in Verbindung zu bleiben.
Aber ich saß wieder einmal nur still und verkrampft da,
habe auf die rechte Sessellehne gestarrt, die Rotze hochgezogen und Tränen kullern lassen.
In dem Moment konnte ich mir irgendwie nicht vorstellen,
wie ich innerlich mit ihr und der Therapie in Verbindung bleiben sollte.
Ständig an die Sitzungen denken? An das, was sie gesagt hat, was wir beredet haben?
Also an all das, an was ich in letzter Zeit sowieso schon fast immer denke?
Oder ich stelle mich einfach zu blöd an.
Ich weiß nicht, ob es das ist, was sie meinte...
macht mir einen Vorschlag und schreibt es mir, falls ihr es besser wisst.
Ganz im Ernst: Bei Instagram, YouTube, per E-Mail oder auch hier,
wo auch immer, wie auch immer.
Gebt Euren Senf gerne mit in mein Tagebuch dazu!☺

Als ich aber immer noch nicht geantwortet, geschweige denn mich bewegt habe,
meinte sie ungefähr etwas, wie
"Es gibt manchmal so Sachen, die die helfen können, so eine Zeit zu überbrücken
(oder überstehen).
Sie kennen ja die kleine Kiste mit meinen Figuren drin,
die haben Sie ja schon oft gesehen, die steht hier immer bei mir.
Wie wäre es denn, wenn Sie sich eine Figur heraussuchen, die für die Therapie steht?
Eine Figur, zu der Sie eine Verbindung zur Therapie sehen?
Sollen wir das versuchen?

Und wenn Sie möchten,
können wir nachher auch gleich nach Terminen im neuen Jahr schauen."

wieder langes Schweigen, langes Starren auf die Sessellehne.
Immer wieder wollte ich den Mund aufmachen und sprechen...
und dann habe ich genickt.
Sie ist aufgestanden und hat das Körbchen geholt, in dem all die Tierchen
und Figürchen drin sind, mit denen wir schon oft gearbeitet haben.
Ich wusste natürlich sofort, was ich mir da raussuche... sofort.

(nämlich dieses kleine Wesen hier...)
 

Ja, die kleine Maus hier, die ich fast immer nehme, wenn ich mich darstellen soll.
Das war die erste Figur, die ich in meiner allerersten Gruppensitzung am 8. Februar 2016
in der Hand hatte, als ich mich vor- und dargestellt habe.
"Ich bin Louisa...
und das bin irgendwie ich."

"Inwiefern bringen Sie die Maus mit der Therapie in Verbindung?
Warum diese Figur?"
"Weil das ich bin. Weil ich die immer nehme,
sobald wir mit den Figuren arbeite und ich mich darstellen soll."
 
Sie hat angst, ist zurückhaltend und eher ruhig, hält sich eher im Hintergrund auf.
"Was glauben Sie, inwiefern Ihnen die Maus helfen kann?
Was kann sie Ihnen vielleicht an Weihnachten sagen oder auch an den anderen Tagen?
Kann sie für Sie da sein?"

keine Reaktion, keine Antwort.
Nur die kleine Maus, die ich zwischen meinen Fingern hin und her bewegt,
gedreht und gewendet habe.
Und irgendwie klang meine Thera in dem Moment schon leicht genervt, hatte ich das Gefühl.
Ich dachte mir okay, wenn ich jetzt nicht rede, geht sie irgendwann an die Decke.
"Oder Sie helfen der Maus.
Sagen ihr ein paar nette Worte, stellen sie an einen schönen Platz
oder reden einfach mit ihr, was weiß ich...
tun sie ihr was gutes."

und da habe ich dann langsam angefangen zu reagieren,
habe genickt und nach oben geschaut.
"Ja..."

"Wissen Sie, ich habe gerade den Eindruck, dass Sie wissen,
wie Sie der Maus helfen können... aber nicht sich selbst.
Wir haben ja gerade darüber gesprochen,
wie Sie sich selbst helfen oder sich um sich kümmern könnten.
Bei der Maus wissen Sie es, ihr können Sie helfen.
Bei sich selbst wissen Sie es aber anscheinend nicht.
Vielleicht aber, weil Sie das nie mitbekommen haben,
nie gezeigt bekommen haben..."

meinte sie so ungefähr mit leicht trauriger oder bedrücker Stimme am Ende.
Ich finde, dass der Klang der Stimme und auch die Gesichtsausdrücke immer
eine ganz wichtige Rolle bei sowas spielen, diese Dinge können viel sagen.
Besonders auf die Stimmlage achte ich bei Menschen immer "gerne"...

Lange habe ich da noch schweigend gesessen und vor mich hin "gedümpelt",
bis sie dann leise eingeworfen hat
"Lassen Sie mich teilhaben an dem, was gerade in Ihnen vorgeht.
Nur wenn Sie möchten, Sie müssen nicht."
"In mir ist noch so viel, auch jetzt gerade.
So unglaublich viel, was ich sagen möchte, aber es geht nicht..."

Und ja, Menschen, dabei ging es mir um meine Gefühle ihr gegenüber.
Diese "töchterlichen" Gefühle oder "Tochtergefühle", wie auch immer man es nennen mag.
Und am liebsten wollte ich das in dem Moment auch direkt rausschreien, rausweinen, auskotzen.
  "Aber Sie haben mir schon so viel erzählt, Sie kommen immer weiter! 
Die vielen Briefe und Texte, die Sie mir gegeben haben.
Das war wirklich mutig und Sie haben schon eine Menge gesagt, Sie sind so, so streng mit sich,
setzen sich so sehr unter Druck... das stelle ich mir ziemlich anstrengend vor."

Ich weiß, ich weiß... ich setze mich schon seit Beginn der Therapie (02/2016!)
unter Druck und kann es einfach nicht sein lassen.
Ich habe eben nicht ewig Zeit,
Frau (...) und die Therapie sind nicht für immer,
oder zumindest nicht für (im übertriebenen Sinne) die nächsten 10 Jahre.
Aber es muss raus, diese Gefühle müssen endlich und unbedingt aus mir heraus!
Anfang des Jahres muss ich das packen.
Nein, nicht muss, sondern will!
Und wenn es von der Klinik aus und per E-Mail ist.
Ich habe ihr schon so viel per Mail geschrieben, was ich nicht aussprechen konnte.
Und dann konnten wir es auch langsam Schritt für Schritt während der Sitzungen ansprechen.

So viel wie ich hier geschrieben habe, kommt mir die heutige Sitzung gar nicht vor.
Das ist so intensiv und lang, die Sitzung ist immer eins, zwei fix vorbei.
Am Ende habe ich nochmal lange geschwiegen und die Maus
immer noch gedankenversunken zwischen meinen Fingern gedreht und gewendet.
Von meiner Therapeutin kam dann ein geflüstertes
"Okay"
 und sie ist aufgestanden und hat sich an den Computer gesetzt.
"Wollen wir jetzt mal nach Terminen im Januar gucken?"
Und so habe ich gleich für den 9. und den darauffolgenden 15. Januar Sitzungen bekommen.
"Ich würde Ihnen jetzt eigentlich langsam gerne auch mal einen festen Termin pro Woche anbieten, wenn das möglich ist."

Sofern eine Verlängerung seitens der Krankenkasse drin ist, ansonsten würde ich eher sagen nein...
"Und wenn Sie bis dahin schon Rückmeldung von der Klinik und einen Termin
zur stationären Aufnahmen haben, sagen Sie mir einfach 24h vorher per Mail ab,
das ist kein Problem."
Dann hat sie sich noch zu mir umgedreht und meinte
"...die Nummer vom Krisendienst haben Sie noch... oder?
Sie wissen, dass Sie da Tag und Nacht anrufen können?
Dass da Menschen sind, die auch ausgebildet sind und Ihnen helfen
und im Notfall auch vorbeikommen können?
Wenn es Ihnen ganz schlecht geht... machen Sie das.
Nutzen Sie das."

Dann ist sie kurz rausgegangen und hat den Zettel mit den Terminen vom Drucker geholt.
Ich hatte schon die ganze Zeit meinen Rucksack vor mir und hin und her überlegt,
ob ich ihr die Weihnachtskarte wirklich geben soll...
Ich war wieder kurz davor, es doch zu lassen, wie auch mit dem
"Nothing Is Impossible" Bild, was ich übrigens immer noch auf meinem
Schreibtisch zu liegen habe.
 Als sie dann aber wieder rein kam, habe ich die Karte einfach aus dem Rucksack gezogen
und meinte ungefähr 3x hintereinander
"Ich weiß nicht... dürfen Sie das annehmen?
Dürfen Sie das annehmen???
Ich weiß ja nicht, ob Sie das annehmen dürfen..."

und habe ihr die Karte direkt vor die Nase gehalten.
Irgendwie sehr witzig so im Nachhinein...
"Ja, das darf ich annehmen!
Das ist ja schön!
Haben Sie das gemacht?!"

und sie hat sich wirklich gefreut.
"Darf ich die jetzt schon aufklappen???"
und hat dann das
"Vielen Dank für Ihre Unterstützung"
gelesen, den Schneemann daneben gesehen
und meinte noch lächelnd
"Ohhh, das ist aber toll, dankeschön!"
...und ich nur auf den Boden geguckt
und "Bitte" gesagt, hahaha, ich komischer Mensch.
Ich meinte dann noch
"Hier, die Maus stecke ich jetzt in meine Jackentasche,
da kommt sie erstmal hin und ist sicher!"
"Ja, die Maus, passen Sie gut auf sie auf!
Ach, das machen sie schon, da bin ich mir sicher!"

Im Nachhinein bin ich wirklich, wirklich froh,
dass ich ihr die Karte gegeben hat.
Ich bin ihr zutiefst dankbar und wollte das damit mal zum Ausdruck bringen.
Ich weiß, ich schreibe in fast jede Mail am Ende
"Vielen Dank für Ihre Hilfe, Unterstützung und Geduld mit mir."
aber das hier war doch einfach mal was anderes, was schöneres...
irgendwie.

Kommentare

  1. Ich finde deine Texte sehr interessant und kann mich in so vielen Dingen wieder erkennen 🍃 Ich hoffe ich kann noch einige deiner Texte lesen. Deine Therapeutin scheint eine wunderbare Person zu sein ohne sie persöhnlich zu kennen. Aber was sie sagt ist sehr liebevoll und voller verständnis.

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